Diskurs und Diskursanalyse in der sunnitischen Koranexegese (tafsīr) – Faḫr ad-Dīn ar-Rāzī (gest. 1210) im Spannungsfeld exegetischer Polemiken.
Ar-Rāzīs Texthermeneutik zwischen Sprache (luġa),…
Basic data of the doctoral examination procedure
Doctoral examination procedure finished at: Doctoral examination procedure at University of Münster
Period of time: to 01/10/2021
Status: in progress
Candidate: Öktem, Kâmil
Doctoral subject: Arabistik und Islamwissenschaft
Doctoral degree: Dr. phil.
Awarded by: Department 09 - Philologies
Supervisors: Thomas Bauer
Description
Die sunnitische Koranexegese (tafsīr) mit ihren wichtigsten Protagonisten wurde in der deutschsprachigen Forschung noch längst nicht umfassend behandelt, sodass weiterhin viele anregende Forschungsfragen gestellt werden können. Noch nicht ausreichend untersucht ist z.B. auch die Hermeneutik von Faḫr ad-Dīn ar-Rāzī (gest. 1210) in seinem großartigen Korankommentar at-Tafsīr al-kabīr, auch genannt Mafātīḥal-ġayb. Diesen Kommentar könnte man als den Anfang einer exegetischen Phase nach dem Ende der textuellen Phase bezeichnen, die durch den berühmten Rhetorik-SpezialistenʿAbd al-Qāhir al-Ǧurǧānī (gest. 1078) bewirkt wurde. Die Gattung der Koranexegese, die bis in die Zeit ar-Rāzīs von der Tradition des einflussreichen Exegeten Ibn Ǧarīr aṭ-Ṭabarī (gest. 923) geprägt war, erfährt spätestens durch ar-Rāzīs Einleitung zu seinemTafsīreinen Paradigmenwechsel, denn ar-Rāzī versteht die Koranexegese, in Abgrenzung zu den bisherigen Formen, als ein Instrument der Theologie. Drei Jahrhunderte später versuchte dann Ǧalāl ad-Dīn as-Suyūṭī (gest. 1505) in einem Kapitel seines bekannten Kompendiums der Koranwissenschaften al-Itqān fīʿulūm al-Qurʾān, erneut einen besonderen Akzent auf aṭ-Ṭabarīs Herangehensweise zu legen, deren Einfluss durch ar-Rāzīs Wirken abgenommen hatte, indem er aṭ-Ṭabarī besonders lobt und gleichzeitig ar-Rāzīs Zugang zum Koran kritisch betrachtet.
Im ersten Teil des Dissertationsprojekts soll der Lebensweg ar-Rāzīs mit einem Fokus auf seine geistige Entwicklung dargestellt werden. Dabei geht es insbesondere auch um eine von Ibn Taymiyya stammende, salafitisch gefärbte Paraphrasierung einer vernunftkritisch und resignativ erscheinenden Aussage ar-Rāzīs aus seinem Traktat Aqsām al-laḏḏāt, die einer Passage seines Testaments ähnelt. Im zweiten Teil werden die Determinanten des gegen ar-Rāzī geführten Diskurses beleuchtet. Hier werden Analogien und Parallelen zu der genannten Paraphrasierung nachgezeichnet. Auf dieser Grundlage wird im dritten Teil die Einführung desTafsīranalysiert, unter anderem im Vergleich zu ar-Rāzīs rechtstheoretischem Werk al-Maḥṣūl fīʿilm uṣūl al-fiqh, dem al-Ḫaṣāʾiṣvon Ibn Ǧinnī (gest. 1002) und dem al-Mufaṣṣal von az-Zamaḫšarī (gest. 1144), zu dem ar-Rāzī einen Kommentar verfasste und mit den Ansichten dessen Autors er sich in manchen seiner Schriften auseinandersetzt. Der Vergleich von ar-Rāzīs Tafsīr mit seinem Maḥṣūl erscheint notwendig aufgrund der neueren Erkenntnis, dass die sprachtheoretischen und sprachphilosophischen Grundlagen aus der Einführung desTafsīringesamt keine Überschneidungen oder Analogien zum Maḥṣūl aufweisen, sondern eher Ergänzungen dazu darstellen. Auf der Grundlage des dritten Teils wird ar-Rāzīs Texthermeneutik dann im vierten Teil vorgestellt.
Im Ganzen widmet sich die Arbeit also dem Desideratum, ar-Rāzīs Leben, seine geistige Entwicklung und seinen Beitrag zur postformativen Phase der sunnitischen Koranexegese vorzustellen und seinen Korankommentar, mit besonderem Fokus auf dessen Einführung und die Frage der Texthermeneutik, zu untersuchen.
Promovend*in an der Universität Münster
Supervision at the University of Münster
Bauer, Thomas | Professur für Arabistik und Islamwissenschaft (Prof. Bauer) |