Baudelaire und Paris. Flüchtige Gegenwart und Phantasmagorie

Westerwelle, Karin

Fachbuch (Monographie) | Peer reviewed

Zusammenfassung

Kein anderer Dichter des 19. Jahrhunderts ist Paris so eng verbunden wie Charles Baudelaire (1821-1867). Die Hauptstadt bietet mit Museen, Kunstausstellungen, Galerien und den Ateliers der ersten Fotografen neue inspirierende Orte des Austausches zwischen Literatur und Kunst. Bibliotheken, Verlage sowie die Zeitungen beschleunigen den Informationsfluss. Eine neue Unübersichtlichkeit entsteht. Bereits Balzac beklagt die historische Flüchtigkeit, die „erschreckende Geschwindigkeit“ im Wandel des alten Paris. Im Zweiten Kaiserreich nehmen die Veränderungen ein unerhörtes Ausmaß an. Architektonische Neugestaltung, ein auf große Verkehrsachsen ausgerichtetes Straßennetz, Umbau des Louvre sowie die ersten Weltausstellungen von 1855 und 1867 repräsentieren unter Napoleon III. die imperiale, mondäne Hauptstadt Paris. In den Faubourgs und jenen Vierteln, wo Reichtum und schöne Fassaden fehlen, treten mit Industrialisierung und dichter Bevölkerung Mangel, extreme Armut, Kriminalität und Laster hervor. In Daumiers Karikaturen und Baudelaires Lyrik erscheinen prekäre Figuren des beschädigten Lebens, der Lumpensammler und die sich prostituierende Frau. Manets Gemälde Die Musik im Garten der Tuilerien (1862) zeigt den Schriftsteller Baudelaire als städtischen Typus im schwarzen Anzug und mit Zylinder, nicht als Bohemien. Die urbane Lebenswelt in ihrer kulturellen Vielfalt ermöglicht, wie Baudelaire betont, „das Gespräch, dieses große, dieses einzige Vergnügen eines geistigen Wesens“. Der Dichter, wie ihn Manet malt, steht inmitten der Öffentlichkeit und ist ihr doch zugleich fremd. Baudelaires Gedichte, die Fleurs du mal (1857/1861), vergegenwärtigen bedrohliche Szenen des Bewusstseins, die die Ordnung städtischer Topographie überlagern. Der städtische Raum verwandelt sich im Blick des Betrachters in das Unheimliche und Monströse der Phantasmagorie.

Details zur Publikation

VerlagWilhelm Fink Verlag
ErscheinungsortPaderborn
Auflage1
StatusVeröffentlicht
Veröffentlichungsjahr2020 (09.05.2020)
Sprache, in der die Publikation verfasst istDeutsch
DOI10.30965/9783846759776
StichwörterBaudelaire-Biographie; Ästhetik; flüchtige Gegenwart; Moderne; Honoré Daumier; Gustave Flaubert; Nadar; Édouard Manet; Constantin Guys; Karikatur; Second Empire; Religion und Politik; Exposition universelle; städtische Architektur und 'embellissement'; Kritik des Fortschrittsgegriffs; Fotografie; Ironie; Gewalt; Phantasmagorie und Schauspiel; Dandy; Prostitution; der Lumpensammler als Grenzgänger (le chiffonnier); Traum; Theater und féerie

Autor*innen der Universität Münster

Westerwelle, Karin
Professur für Romanische Philologie unter besonderer Berücksichtigung der neueren französischen Literatur (Prof. Westerwelle)
Exzellenzcluster 2060 - Religion und Politik. Dynamiken von Tradition und Innovation